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Charlotte Brontë

 

Geboren am 21. April 1816.

 

Die Eltern

Charlottes Mutter Maria Branwell ist ebenfalls ein „Aprilkind“, sie kommt am 15. April 1783 in Penzance, Cornwall, zur Welt.

Charlottes Vater Patrick Brunty stammt aus armen Verhältnissen in Nordirland. Aber er ist begabt und hat das Glück, durch den Dorfpfarrer, einem Cambridge-Absolventen, über die normale Dorfschule hinaus noch in Latein und Altgriechisch unterrichtet zu werden. So kommt auch Patrick in die Lage, mittels eines Stipendiums am St. John’s College in Cambridge studieren zu können.

Seinen Familiennamen ändert Patrick schließlich von Brunty ins vornehmere Brontë. Grund war seine Verehrung für Admiral Nelson, der vom sizilianischen König Ferdinand 1799 symbolisch zum Herzog von Bronte ernannt wurde. Bronte ist ein kleiner Ort an den Hängen des Ätna in Sizilien.

Brontë bessert seinen Lebensunterhalt als Nachhilfelehrer und durch Preise für akademische Leistungen auf. Nach dem Studium arbeitet er als Vikar und Hilfspfarrer, bis er schließlich ein permanentes Vikariat in Hartshead-cum-Clifton erhält. Während seiner Tätigkeit dort nimmt er im nahegelegenen Woodhouse Grove College Prüfungen in alten Sprachen ab. Hier lernt Brontë im Sommer 1812 Maria Branwell kennen. 

Anders als Brontë stammt Maria Branwell aus einer wohlsituierten Kaufmannsfamilie. Als Patrick heftig um die Tochter aus gutem Hause wirbt, ist Maria bereits 29 Jahre alt und durch den Tod ihrer Eltern weitgehend unabhängig. „Jahrelang bin ich voll und ganz meine eigene Herrin gewesen, keiner irgendwie gearteten Beaufsichtigung unterworfen“, schrieb Maria in einem ihrer zahlreichen Briefe an Brontë, nachdem er ihr einen Heiratsantrag gemacht hatte. Schließlich willigt Maria ein und heiratet Patrick am 29. Dezember 1812. Die Liebesbriefe, die sich beide vor der Hochzeit schreiben, deuten auf eine große Liebe hin und zeugen vor allem auch von Marias literarischen Qualitäten, auch wenn sie zusätzlich zu einem einzigen Essay ihr einziger schriftstellerischer Nachlass bleiben werden.

Patrick Brontë dagegen hatte schon vor der Hochzeit seine „Cottage Poems“ herausgebracht. Seine zweite Gedichtsammlung „A rural Minstrel“ erscheint im September 1813.

Maria bringt in den folgenden sechs Jahren sechs Kinder zur Welt. Fünf Mädchen und einen Jungen, dessen Vorname Branwell gleich dem Mädchennamen der Mutter ist.  

Pfarrhaus in Haworth, heute Museum

Kindheit ohne Mutter

Kurz nach der Geburt von Anne, der Jüngsten, übernimmt Brontë eine Pfarrstelle in dem nahegelegenen Ort Haworth an der Kirche St Michael and All Angels. Eine größere Gemeinde mit größerem Einkommen, jährlich 170 Pfund. Das Pfarrhaus wird der Familiensitz und der Ort, an dem alle Brontës mit kurzen Unterbrechungen bis an ihr jeweiliges Lebensende bleiben. Um es vorwegzunehmen: Nur Vater Patrick ist ein langes Leben beschieden. Seine Frau Maria stirbt im Jahr nach der Geburt ihres sechsten Kindes mit nur 38 Jahren. Über ihre Todesursache gibt es verschiedene Auslegungen: Ob es Gebärmutterkrebs war, eine Sepsis oder allgemeine Schwächung nach der letzten Geburt – ihrem Tod geht ein monatelanges Siechtum voraus und sie hinterlässt einen alleinerziehenden Witwer von sechs kleinen Kindern.

Patrick hätte gern wieder geheiratet, aber keine will den eigenwilligen Mann mit den vielen unmündigen Kindern. Die Kinder wachsen in wilder, windgepeitschter Moorlandschaft in einem abgelegenen – und sehr zugigen! – Pfarrhaus in Haworth (Yorkshire) auf, wo sie – abgesehen von wenigen kurzen Ausflügen in die »Außenwelt« – ihr ganzes Leben zubringen werden.

Um den Haushalt und die Erziehung der Kinder bewältigen zu können, beschäftigt Brontë stets mindestens eine Hausangestellte. Zusätzlich zieht seine Schwägerin Elizabeth Branwell, eine jüngere Schwester von Maria, her, die gemeinsam mit der langjährigen Bediensteten Tabitha Aykroyd zu wichtigen Bezugspersonen der Geschwister Brontë wird.

Brontë unterrichtet seine Kinder zunächst selbst. Dazu benutzt er häufig Zeitungs- und Zeitschriftenartikel, um seinen Kindern Geschichte, Literatur, Kunst, Geografie und Naturwissenschaften näher zu bringen. Als fortschrittlicher Vater fördert er seine Töchter ebenso wie seinen einzigen Sohn Branwell und legt großen Wert auf eine umfassende Bildung seiner Kinder. Die unsystematische Form des Unterrichtes schult zwar die Neugier und Phantasie der Kinder, kann aber auch nach Ansicht Brontës auf lange Sicht keine ordentliche Schulbildung ersetzen.

Von den Erziehungsaufgaben überfordert, schickt Patrick schließlich seine vier ältesten Mädchen Maria, Elizabeth, Charlotte und Emily in ein Internat für Töchter der Geistlichkeit. Die Lebensbedingungen in Cowan Bridge sind allerdings mörderisch – nur wenig und schlechtes Essen, trotz beißender Kälte wird kaum geheizt. Charlotte und Emily überleben die Tortur, aber Maria und Elizabeth sterben daran, sie sind 10 und 11 Jahre alt. Tuberkulose bzw. Schwindsucht, wie man es damals nannte, war die verbreitete Todesursache.

Wieder zurück im Pfarrhaus, von der Welt abgeschnitten, vom Vater wenig beachtet, der die meiste Zeit in seinem Studierzimmer verbringt und dort auch allein seine Mahlzeiten einnimmt, beginnen die nun verbliebenen vier Kinder mit dem Auf- und Ausbau einzigartiger Phantasiewelten. Mindestens 16 Jahre lang arbeiteten sie kontinuierlich an den Reichen »Angria« (Charlotte und Branwell) und »Gondal« (Emily und Anne). In winziger Handschrift beschreiben sie etwa 2000 Seiten. Die mikroskopische Schrift sollte möglicherweise helfen, ihre Phantasien vor ihrer Tante Elizabeth geheimzuhalten, die mit Hilfe der Mädchen bis zu ihrem Tod 1841 den Haushalt führte und ihnen Unterricht erteilte.

Anne, Emily und Charlotte – gemalt von ihrem Bruder Branwell, der sich selbst ausradiert hat

Frühe Erwerbstätigkeit und unerfüllte Liebe

1831/32 verbringt Charlotte, die seit dem Tod der beiden erstgeborenen Schwestern die älteste der Geschwister, wieder in einem Internat, diesmal dem der Mrs. Wooler. Hier schließt sie lebenslange Freundschaft mit ihren Mitschülerinnen Ellen Nussey und Mary Taylor. (Ellen Nussey wird die 400 Briefe, die Charlotte ihr schrieb, sorgfältig aufbewahren – ihr verdanken wir fast alles, was wir über Charlotte und ihre Familie wissen.) Im Anschluss unterrichtet Charlotte als Lehrerin, um Geld zu verdienen.

Die Erwartung Brontës an seinen einzigen Sohn Branwell sind sehr hoch: Auf Wunsch des Vaters soll dieser eine künstlerische Laufbahn als Maler oder Schriftsteller einschlagen. Für seine Töchter sieht er eine Anstellung als Gouvernante oder Hilfslehrerin vor. Branwell geht 1836 nach London, um dort Kunst zu studieren. Es gelingt ihm jedoch nicht, sich als Porträtmaler zu etablieren, auch seine literarischen Versuche blieben unvollendet. Nachdem er in weiteren Berufen scheitert, führt Branwells immer schon vorhandene psychische Instabilität zu einer zunehmenden Trinksucht. Er verlottert im Kreise schlechter Freunde und spricht neben dem Alkohol und dem Opium zu.

Zehn Jahre lang, von 1835 bis 1845, versucht Charlotte, als Privatlehrerin ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ihre Schwestern schließen sich bald an. Aber letztlich schlagen alle Versuche fehl; die »Sklaverei des Gouvernantendaseins«, die »harte Arbeit von 6 Uhr morgens bis fast 11 Uhr nachts« (C.B.), den unklaren Status zwischen der Herrschaft, der sie oft geistig ebenbürtig, wenn nicht überlegen waren und der Dienerschaft (der sie zugerechnet wurden) halten sie nicht aus, außerdem leiden sie an Heimweh.

Also planen sie, selbst eine Mädchenschule zu gründen. Dafür brauchten sie aber noch etwas sprachlichen Schliff in Französisch und Deutsch, und so gehen Charlotte und Emily Anfang 1842 nach Brüssel in das Internat der Mme Heger. Die höheren Klassen unterrichtet deren Mann, der gebildete und charismatische M. Heger. Charlotte verliebt sich in ihn, und während es die heimwehkranke Emily bald wieder nach Haworth zieht, bleibt Charlotte seinetwegen noch ein Jahr länger – aber ziemlich umsonst, denn Mme Heger bemerkt schnell, was los ist, und hält ihren Gatten von Charlotte fern.

Zurück in Haworth schreibt Charlotte erschütternde Briefe voller Verehrung und Sehnsucht an ihren geliebten »Master«, die unbeantwortet bleiben. Die endlosen Monate des Wartens auf eine Antwort zerreißen ihr das Herz; schließlich zerbricht etwas in ihr, und sie gibt auf. Unerwiderte Liebe wird das zentrale Thema all ihrer Romane.

Das Arbeitszimmer der Schwestern

Die schreibenden Schwestern

Nachdem der Plan, eine eigene Schule zu eröffnen, gescheitert ist, geben sich Charlotte und ihre Schwestern ganz der Schriftstellerei hin.

Im kleinen Wohnzimmer des zugigen kalten Pfarrhauses sitzen die Schwestern und marschieren abends um den Tisch um über ihre Texte zu reden. Oder sie machen gemeinsame lange Spaziergänge, um dem Blick auf den benachbarten Friedhof zu entfliehen, der überfüllt ist und dessen Leichen das Trinkwasser verseuchen. Die durchschnittliche Lebenserwartung beträgt Mitte des 19. Jahrhunderts 26 Jahre, viele sterben an Tuberkulose.

Auf eigene Kosten publizieren sie einen Gedichtband unter den bewusst geschlechtsneutral gewählten Pseudonymen Currer (Charlotte), Ellis (Emily) und Acton (Anne) Bell. Sie wollen sich so der zu erwartenden Kritik an schreibenden Frauen entziehen.

Die Gedichte erscheinen 1846; es gibt ein paar freundliche Rezensionen, aber von den 1000 Exemplaren werden nur 2 verkauft. Die Schwestern geben aber nicht auf, sondern nutzen ihre jahrelange Übung im kreativen Schreiben und schnüren ein zweites Bündel, diesmal mit drei Romanen von »Currer, Ellis und Acton Bell«: Charlottes »The Professor«, Emilys »Wuthering Heights« und Annes »Agnes Grey«.

Während Emily und Anne einen Verlag für ihre Werke finden, will keiner Charlottes »Professor« dabei haben. Also bietet sie es weiteren Verlagen an. Von Smith, Elder kommt eine Einladung, weitere Kostproben zu schicken. Als Charlotte im August 1847 »Jane Eyre« beendet hat, schickt sie es diesem Verlag. In »Jane Eyre« verarbeitet Charlotte ihre Erfahrungen als Gouvernante und zeichnet die Titelheldin als zwar arm und unauffällig, doch voller Stolz und Leidenschaft. Man ist begeistert, der Roman erscheint schon zwei Monate später, wird ein Riesenerfolg und gehört heute zu dem Klassikerinnen der englischen Literatur, genau wie Emilys »Wuthering Heights«, dessen Rang das Publikum allerdings erst lange nach Emilys Tod begriff.

Charlotte Bronte ist nun eine Berühmtheit, die von ihrem Verlag stolz herumgereicht wird. Sie macht Bekanntschaft mit literarischen Größen, die sie bis dahin nur gelesen hatte, u.a. Thackeray, Harriet Martineau, George Henry Lewes (Lebensgefährte der Schriftstellerin George Eliot) und Elizabeth Gaskell, ihre spätere enge Freundin und erste Biographin.

Patrick Brontë wird in den Erfolg der drei Töchter erst eingeweiht, als immer mehr Post von Verlegern an „Currer, Ellis und Acton Bell“ an die Pfarrei eingeht. Im Januar 1848 erzählt Charlotte ihrem Vater von ihrem Roman Jane Eyre, nachdem sie zufällig mitgehört hatte, wie Brontë dem Postboten klarzumachen versuchte, dass niemand namens Currer Bell in dem Pfarrhaus wohne.

Das Interesse für die Verfasserin von Jane Eyre und die Frage, wie viel sie mit ihrer Figur gemeinsam hat, beschäftigt die Öffentlichkeit sehr. Tatsächlich haben einige Menschen aus dem Leben der Autorin auch in ihrem Roman einen Platz gefunden. So sind einige Züge von Mr. Rochester Charlottes Lehrer Constantin Heger entlehnt, und in den Schwestern Mary und Diana lassen sich Ähnlichkeiten mit ihren eigenen Schwestern erkennen, wenn auch diese idealisierten Romanfiguren nicht mit den Brontë-Schwestern gleichgesetzt werden dürfen. Zudem hat Jane Eyre selbst viel mit ihrer Schöpferin gemeinsam. Sie kann aber ebenso wenig als Abbild bezeichnet werden, sondern muss wohl als Charlotte Brontës Idealvorstellung von ihrer eigenen Person verstanden werden. Die Autorin hat außerdem einige Lokalitäten aus ihrem Leben in den Roman eingebaut: Lowood etwa entspricht dem Internat, in dem sie selbst war und in dem zwei ihrer Schwestern an Typhus starben. Der Hauptschauplatz Thornfield ist jedoch ein reines Fantasiegebilde der Autorin.

Den Tod immer vor Augen: hinter dem Wohn-/Pfarrhaus der Friedhof…

Keins der Geschwister erreicht die 40

Stolz und Freude währen allerdings nicht lange: Innerhalb von acht Monaten verliert Charlotte alle ihre Geschwister. Im September 1848 stirbt Branwell an allgemeiner Zerrüttung, nachdem er seinen Schwestern durch Randalieren und Schuldenmachen das Leben im Pfarrhaus jahrelang zur Hölle gemacht hat.

Nur drei Monate später stirbt Emily. Vermutlich an einer Lungenentzündung. Legendär geworden ist Emilys beharrliche Weigerung, ärztliche Hilfe anzunehmen, und ihr Wunsch, „der Natur ihren Lauf zu lassen“: Sie weigert sich bis zum Tag ihres Todes, im Bett zu liegen, und versucht, ihren Alltag wie gewohnt weiter zu führen.

Mit ihrer Schwester Anne verband Emily ein inniges Verhältnis, fast wie Zwillinge waren die beiden Letztgeborenen. Ein halbes Jahr nach Emily stirbt auch Anne, vermutlich an Tuberkulose. Charlotte bleibt zerschmettert zurück, die einzige, die von den Geschwistern noch übriggebliebene. Für ihren alten Vater und den Haushalt ist sie nun allein zuständig. Schreibt aber trotzdem noch zwei erfolgreiche Romane, »Shirley« (1849) und »Villette« (1853).

Erst nach dem Tod ihrer Schwestern 1849 lüftet Charlotte Brontë das Geheimnis um ihr Pseudonym, was dem Erfolg von Jane Eyre jedoch keinen Abbruch tat. Von den Kritikern wurde der Roman aufgrund seiner Wärme und Leidenschaft wohlwollend aufgenommen und sogar mit dem Welterfolg Jahrmarkt der Eitelkeit, dem gesellschaftskritischen Roman von William Makepeace Thackeray, verglichen. Auch von ihren Autorenkollegen, dem eben genannten Thackeray und der damals sehr berühmten Schriftstellerin Elizabeth Gaskell, wurde Charlotte Brontë für ihren Roman gelobt. Beim zeitgenössischen Publikum war Jane Eyre beliebter als das eigentlich komplexere und noch kraftvollere Werk Sturmhöhe von Charlottes Schwester Emily. Obwohl Sturmhöhe heute als literarisch bedeutenderes Werk gilt, zählt Jane Eyre dennoch zu den Klassikern der englischen Literatur. Die ungewöhnliche Heldin, der lebendige Stil und die stille Weisheit des Buches haben Generationen von Schriftstellerinnen, darunter auch große Namen wie Virginia Woolf, nachhaltig beeinflusst. Jane Eyre wurde mehrfach verfilmt.

ca. 4 Jahre vor ihren Tod

Späte kurze Ehe

Nachdem sie ihn jahrelang abgewiesen hatte, heiratet Charlotte 1854 den Hilfspfarrer ihres Vaters, Arthur B. Nicholls. Doch sie ist nur neun Monate eine Ehefrau. Offenbar schwanger, leidet sie unter schlimmen Beschwerden, Hyperemesis gravidarum genannt. Am 31. März 1955, einem Karsamstag, stirbt sie – laut Totenschein an Phthisis, d. h. Auszehrung – vermutlich in Folge von unstillbarem Erbrechen in der Schwangerschaft. Sie wurde nur 38 Jahre alt, so wie ihre Mutter.

posthum

Patrick Brontë überlebt sein letztes Kind um sechs Jahre; er stirbt am 7. Juni 1861 im Alter von 84 Jahren.

Nach dem Tod von Charlotte beauftragte er die Schriftstellerin Elizabeth Gaskell mit dem Schreiben der Biografie Charlottes, die 1857 erschien. Außerdem sorgte er sich gemeinsam mit seinem Schwiegersohn um den Nachlass seiner Kinder. Charlottes Roman Der Professor wurde zwei Jahre nach ihrem Tod 1857 publiziert.

 

Quellen:  Wikipedia, fembio

 

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