Ema Dzinic

Dzinic, Ema (eigentlich Hazema) geboren in Cazin/Jugoslawien, mit 8 Jahren nach Bochum gekommen

Was die Geschichte von Ema so erzählenswert macht, ist, dass sie nicht nur Spielball großer Politik, Gesetzen und Verordnungen geworden ist, sondern auch Spielball der nächsten Angehörigen und dies in einem Ausmaß, dass für ein einzelnes Leben schon beachtlich ist. Nichts desto trotz hält sie einen inneren Kurs. Ihr Leben wird immer wieder durch äußere Zwänge in andere Bahnen gebracht. Aber sie bemüht sich beharrlich an ihr Wichtigem festzuhalten. So wird unser Deutschland, stellvertretend Wattenscheid und hier die Eisdiele Dörneburg für Ema Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens. Auf eindrucksvolle Weise hat sie sich für Deutschland als Heimat entschieden, weil sie hier ab ihrem 7. Lebensjahr lebte und zur Schule ging.

Ema als Kind

Und nachfolgend zieht es sie auch immer wieder zu dieser Heimat zurück. Ema hat all die für sie ungünstigen Konstanten nicht nur psychisch gesund überstanden, sondern sie ist auch in besonderer Weise zu einer Persönlichkeit herangereift, die in beispielhafter Weise ihren Landsleuten uneigennützig geholfen hat. Lernt man sie kennen, so ist sie bescheiden, freundlich, hilfsbereit und lebenslustig. Dass die deutsche Gesetzgebung und ihre Ordnungsorgane einem solchen Menschen so viele Steine in den Weg gelegt hat, dafür schäme ich mich als Deutscher, kraft Abstammung. Und das ist Emas Geschichte: Ema ist in Cazin/Jugoslwien geboren. Ihre Mutter bringt sie unehelich zur Welt. Den Großeltern gefiel der Vater von Ema nicht, so dass es zu keiner dauernden Verbindung der Eltern kommen konnte. Ema wächst bei den Großeltern auf, die Mutter wendet sich von ihr ab und geht mit einem anderen Mann eine neue Verbindung ein und verlässt Emas Geburtsstadt. Die Großeltern adoptieren Ema und ziehen sie gemeinsam mit einem eigenen gleichalterigen Sohn auf. Als Ema sieben Jahre alt ist, entscheidet der Großvater mit seiner Familie nach Deutschland zu gehen. So kommt Ema nach Wattenscheid, in einen Stadtteil von Bochum. Dies wird der Ort sein, an den es sie immer wieder zurückziehen wird. Sie geht in Wattenscheid zur Schule, erlernt die Sprache, integriert sich auf vorbildhafte Weise.

Ema arbeitet im Imbiss

Ema ist nun fünfzehn Jahre, da ist es wieder der Großvater, der ausschließlich nach seinen eigenen Bedürfnissen entscheidet, wieder zurück nach Jugoslawien zu gehen. Es besteht dazu kein äußerer Zwang. Die Familie hat eine uneingeschränkte Aufenthaltserlaubnis. Ema will nicht mitgehen. Für sie, die früh Abgenabelte und schon einmal von einem Kulturkreis in den anderen Verschobene, ist Deutschland, Wattenscheid ihre Heimat geworden. Aber sie ist noch zu jung, um über sich selbst entscheiden zu dürfen, sie muss mit. Ema schafft es wieder sich in Jugoslawien einzufügen.

Ema mit Auto

Sie absolviert eine Schneiderlehre, lernt ihren späteren Mann Senad kennen und heiratet ihn. Aber die Pläne von Ema werden wieder durchkreuzt. Nach dem Unfalltod des Großvaters und auf der Basis des sich anbahnenden Konfliktes und späteren Krieges in Jugoslawien, entscheidet die Großmutter 1990 zurück nach Deutschland zu gehen. Ema, die emotional an die Großmutter gebunden ist, und sich jetzt nach dem Tod des Großvaters für sie verantwortlich fühlt, geht mit ihrem Ehemann mit. Nun ist sie wieder in Deutschland, in Wattenscheid. Emas Mann erhält eine Anstellung im Eiscafe Dörneburg als Eismacher in Wattenscheid. Dieses Eiscafe wird in Emas Leben noch eine Rolle spielen. Ema arbeitet in der Gastronomie. Eine Arbeit, die ihr Spaß macht. Diese Arbeit ist zwar hart, aber der Umgang mit den Kunden ist abwechslungsreich und für Ema interessant.

Ema arbeitet im Imbiss

Als 1992 die Oma von einem Heimatbesuch wegen der Kriegswirren nicht mehr zurückkommen kann, beschließt Ema trotzdem in Wattenscheid zu bleiben, zumal sie in diesem Jahr ihr erstes Kind bekommen hat. Ema wohnt in Wattenscheid in einer kleinen Wohnung. Ihre Familie besteht neben ihrem Ehemann, dem ersten gemeinsamen Kind, ihrem „Bruder“, mit dem sie aufgewachsen ist und einem weiteren Halbbruder, einem Sohn ihrer Mutter. Die Wohnung ist klein, aber die Familienmitglieder arrangieren sich. Die Erwachsenen sind fleißig und tragen jeder auf seine Art zum Lebensunterhalt bei. Aber die Familie vergrößert sich. Aus dem bosnischen Kriegsgebiet kommen Anfang 1995 zwei Kriegsflüchtlinge und werden von Ema aufgenommen. Ende 1995 kommen noch zwei weitere. Alle vier gehören zur näheren oder weiteren Verwandtschaft. Sie kommen im schlechten körperlichen Zustand, einer trägt sogar eine Kugel in seinem Körper. Ema kleidet sie ein, ernährt sie, und gibt ihnen ein Dach über den Kopf. Durch die abendlichen Unterhaltungen über die Geschehnisse in Jugoslawien und das eigene Erlebte, schaffen die Männer es, wieder zu einem normalen Leben zurückzufinden. 1996 bringt Ema ihr zweites Kind zur Welt.

Elvis und Elvissa

Nach Beendigung des Krieges in Ex-Jugoslawien beginnt die Rückreisewelle. Emas Kriegsflüchtlinge entscheiden sich für eine Rückkehr in ihr Heimatland. Für Ema und ihre Kern-Familie steht diese Frage nun auch plötzlich im Raum, obwohl sie ja zum Kern der eigentlichen Kriegsflüchtlinge nicht gehören und schon früher in Deutschland lebten. Ema fühlt sich in Wattenscheid beheimatet, sie ist hier zur Schule gegangen, ihre beiden Kinder sind hier geboren. Ihren Lebensunterhalt bestreitet sie hier ohne jegliche staatliche Hilfe. Und deswegen nimmt sie nun den nervenzermürbenden Dialog mit den deutschen Ordnungsbehörden auf. Sie hangelt sich von einer dreimonatigen Duldung zur nächsten. Aber sie verliert. So bereitet sich ihre Familie –hauptsächlich ihr Mann- auf eine Rückkehr nach Bosnien vor. Sie kaufen die Einrichtung für eine Eisdiele und haltbare Lebensmittel für ein Jahr und bestücken einen Lastwagen Richtung Bosnien damit. Parallel haben sie beim Amerikanischen Generalkonsulat in Frankfurt einen Einwanderungsantrag gestellt. 1999 bekommen sie die Einreiseerlaubnis für die Vereinigten Staaten. Ema taktiert noch, sie will weder nach Bosnien noch nach Amerika. Sie möchte in Deutschland bleiben.

Schwiegermama mit Ema

Und nun sind es die Amerikaner, die ein Ultimatum stellen. Entweder eine Ausreise jetzt oder nicht mehr. Im Januar 2000 fliegt die vierköpfige Familie nach Amerika. Für beide Eheleute war es die zweite Wahl. Ihr Mann wäre lieber nach Bosnien statt nach Amerika gegangen, wenn Deutschland nun schon mal nicht geht. Aber Ema hat sich zum ersten Mal durchgesetzt. Sie wollte ihren Kindern keine Zukunft in einem vom Krieg zerstörten Land zumuten. Die Eheleute arbeiten wieder fleißig auch in Amerika und steigen die Karriereleiter hoch. Da sie nicht nur fleißig, sondern auch zuverlässig und ehrlich sind, arbeiten sie nach einigen vorübergehenden Jobs in einem großen Casino. Ihre Arbeit wird geschätzt und entsprechend honoriert. 2005 erhält die Familie die Amerikanische Staatsangehörigkeit.

Ema und Senad: US-Staatsbürgerschaft

2006 hat Ema auf dem Weg zur Arbeit einen schweren Autounfall, an dem sie vollkommen unschuldig ist. Eine Operation an der Wirbelsäule ist unumgänglich. Die Auswirkungen spürt Ema noch heute. Sie erhält von der Versicherung des Unfallverursachers eine Entschädigung.

USA: Haus und Auto

Ema und ihr Mann erarbeiten sich einen Rentenanspruch in Amerika, jedoch hat Emas Mann seinen Traum von der eigenen Eisdiele immer noch nicht begraben und als er hört, dass das Eisgeschäft in Wattenscheid, in dem er 10 Jahre als Eismacher gearbeitet hat, zum Verkauf steht, interessiert er sich dafür. Er kauft es mit Emas Einwilligung. 2009/2010 wickelt die Familie ihr amerikanisches Leben ab und sie kommen nun als Amerikanische Staatsangehörige nach Wattenscheid zurück. Die Eisdiele wird renoviert und Schwierigkeiten bei der Abwicklung mit dem Vorbesitzer werden überwunden. Am 4.4.2010 wird die neue Existenz von Emas Familie eröffnet. Alles sieht gut aus. Aber leider beginnen wieder Schwierigkeiten mit den deutschen Ordnungsbehören wegen der Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis der Eheleute. Ema sieht schon wieder eine Wiederholung der Geschehnisse auf sie zukommen. Aber getreu ihrem Wahlspruch: „ Es wird besser“ lösen sich die Probleme nach hartnäckigen Auseinandersetzungen auf und endlich ist einem Leben in Deutschland nichts mehr im Wege.

Elvis, 14 Jahre

Der Sohn von Ema, der in Amerika sein Abitur gemacht hat, tut sich sehr schwer mit dem Leben in Deutschland. Er beschließt die Familie in Wattenscheid zu verlassen und wieder zurück nach Amerika zu gehen. Ema muß ihn schweren Herzens ziehen lassen.

Auf Wiedersehen, Wattenscheid

Die Geschichte von Ema Dzinc ist im Rahmen des Projektes „Was für ein Leben!“ verfilmt worden. Die Biografiefilme, die aus dem Biografie-Wettbewerb hervorgegangen sind können Sie bei uns als DVD erwerben.

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