Kindheitserinnerungen einer Bestattertochter
Karin Brodde
In meiner autobiografischen Erzählung nehme ich den Leser mit in die 60er und 70er Jahre meiner eigenen Kindheit, als Tochter eines Bestatters.
Ich wuchs in einem kleinen Ort am Rande der Lüneburger Heide auf, wo meine Eltern neben einer Bau- und Möbeltischlerei auch ein Bestattungsinstitut führten.
Damals war der Tischler im Ort auch meistens der Bestatter. Man erlernte diesen Beruf nicht, er wurde von Generation zu Generation weitergegeben und man wuchs einfach hinein.
Für mich war es völlig normal in unserem Sarglager Verstecken zu spielen, oder beim Ausschlagen der Sargtruhe zu helfen.
Es war jedes Mal ein kleines Abenteuer, wenn ich meinen Vater in die Sargfabrik begleiteten durfte, wo ich mir genau ansehen konnte, wie ein Sarg gebaut wurde.
Trauernde, meist in schwarz gekleidete Menschen im Büro meiner Mutter gehörten zu meinem Alltag. Ich wusste ganz genau, dass ich dann leise, ja fast unsichtbar sein musste.
Über den Tod sprach man damals nicht, schon gar nicht mit einem Kind.
Das Sterben und der Tod bedrückten mich aber auch nicht, beides betraf ja immer fremde Menschen.
Und so hatte ich keine Angst vor dem Tod …. bis zu dem Tag, als ein schwerer Schicksalsschlag mit zeigte, wie grausam und schmerzvoll der Tod wirklich war.
Ich war noch nicht einmal zwölf Jahre alt, als meine heile Kinderwelt in sich zusammenbrach.
Von einem auf den anderen Moment war meine glückliche Kindheit zu Ende.
***
(Auszug aus Seite 1:)
Plötzlich und völlig unerwartet, starb zuerst meine Oma und nur wenige Stunden später ihr Sohn, meine über alles geliebter Papa.
Während der nicht enden wollenden Trauerfeier in unserer kleinen Friedhofskapelle, sitze ich in der ersten Reihe und starre auf ein Meer aus Blumen, aus dem zwei helle Eichensärge herausragen.
Mein Blick verfängt sich in den flackernden Flammen der Kerzen auf dem Sarg meines Vaters. Der Pastor beginnt mit seiner Trauerrede, doch ich höre seine Worte nicht …
… ich flüchte … flüchte gedanklich zurück … zurück zu den unbeschwerten und glücklichen Tagen meiner Kindheit als Tochter des Bestatters.
(…)
Erschienen im Brighton Verlag, Framersheim unter der ISBN 978-3-95876-674-7 und weltweit im Buchhandel erhältlich.