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Hier findet Monat für Monat eine spannende zeitgeschichtliche Biografie ihren Platz.

Sie soll nicht „Biografie des Monats“ heißen, das klänge nach einem Ranking, was es unter Lebensgeschichten nicht geben kann.

Und man muss ja nicht immer alles gut finden, was die Menschen, deren Lebensgeschichte in dieser Rubrik skizziert wird, gedacht und getan haben. So handelt es sich bei der diesjährigen Februar-Biografie um einen gelinde gesagt äußerst zwiespältigen Charakter. Nichtsdestotrotz erinnerungswürdig.

 

John Harvey Kellogg

John Harvey Kellogg wurde am 26. Februar in Michigan/USA geboren. Seine Farmer-Eltern gehörten zur Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten. Als John Harvey vier Jahre alt war, zog die kinderreiche Familie nach Battle Creek (ebenfalls in Michigan), dem damaligen Hauptquartier dieser Glaubensgemeinschaft.

Die Adventisten, die die akademische Medizin der Zeit ablehnten, finanzierten mehreren ihrer jungen Mitglieder eine medizinische Ausbildung, darunter auch Kellogg. Er absolvierte einen fünfmonatigen Kurs bei einem Alternativmediziner in New Jersey. Danach besuchte John Harvey Kellogg die University of Michigan Medical School und das New York University Medical College in New York City.

Bezahlt wurde sein Studium von dem Ehepaar James und Ellen White, beide Gründungsmitglieder der Adventisten; sie besaßen das 1866 gegründete Health Reforme Institute in Battle Creek. Hier übernahm John Harvey Kolleg nach seinem Abschluss als Doktor der Medizin im Alter von erst 24 Jahren die ärztliche Leitung. Er benannte das Gesundheits-Institut um in „Sanatorium“.

Zu diesem Zeitpunkt stand es wegen geringer Belegung vor der Schließung.

Kellogg widmete sich sogenannten „holistischen“, also ganzheitlichen Methoden unter besonderer Betonung von vegetarischer Ernährung, Hydrotherapie, Einläufen und Leibesübungen.

Kellogg war überzeugt, dass 90 Prozent aller Krankheiten letztlich von Magen und Darm ausgingen, ausgelöst durch falsche Ernährung und falsche Lebensweise. Falsch waren nach seiner Ansicht das Essen von Fleisch, der Genuss von Alkohol und Kaffee, Rauchen, Gewürze und – Achtung! – das Ausleben von Sexualität. Diese falsche Lebensweise führe zur Entstehung von giftigen Substanzen im Darm und in der Folge zur allgemeinen Schwächung des Körpers.

Kellogg glaubte auch, dass Zahnschäden und Verstopfung vor allem auf ungenügendes Kauen zurückzuführen seien. So unterwies er seine Patienten darin, gründlich zu kauen, wofür er zunächst Zwieback benutzte. Zu dieser Zeit war in den USA ein üppiges Frühstück nach englischer Art üblich mit Speck und Ei sowie Porridge.

  

 

 

 

 

 

John Harvey Kellogg

 

 

 

 

Will Keith Kellogg

Die „Erfindung“ der Cornflakes und wie aus Brüdern Feinde wurden

1880 holte John Harvey seinen jüngeren Bruder Will Keith als Geschäftsführer ins Sanatorium. Denn John Harvey mochte zwar auf gesundheitlichem Gebiet ideenreich sein, aber Geschäfte zu führen war weniger sein Ding.

Auf der Suche nach gesunder Kost für die Patienten entwickelten die Brüder zahlreiche neue Produkte wie etwa einen Ersatzkaffee und eine Erdnussbutter.

1894 führten die beiden Kelloggs eine Versuchsreihe durch, um einen Ersatz für das harte, etwas fade schmeckende Brot zu kreieren, das bis dahin im Sanatorium serviert wurde. Rein zufällig blieb über Nacht gekochter Weizen stehen. Am nächsten Morgen hatten sie die geniale Idee, diesen Weizen durch Rollen zu drehen: Schön geformte Flocken waren das Ergebnis, die nach anschließender Wärmetrocknung leicht und knackig schmeckten. In den Speisesälen des Instituts gab es die Weizenflocken fortan mit etwas Salz gewürzt unter dem Namen GRANOSE.

1897 gründeten John Harvey und Will Kellogg die Sanitas Food Company in Battle Creek, die die bekannten Cornflakes produzierte.

Nachdem Will Keith 1906 begann, seinen Cornflakes Zucker hinzuzufügen, zerstritten sich die Brüder darüber und sprachen nie mehr miteinander. Will gründete seine eigene Firma, die Battle Creek Toasted Corn Flake Company, die später zur Kellogg Company wurde.

John Harvey Kellogg widmete sich nun auch der Produktion und Vermarktung von Sojaprodukten durch die Battle Creek Food Company. Außerdem entwickelte er Ersatzprodukte für Fleisch, eines davon mit dem Geschmack von Beefsteak.

 

Sex? Nein danke!!

John Harvey Kellogg war zwar seit 1879 verheiratet, nach seinen eigenen Angaben wurde diese Ehe aber nie sexuell vollzogen; in seinen Schriften setzte er sich für grundsätzliche sexuelle Enthaltsamkeit ein. Folglich hatte das Paar keine leiblichen Kinder und lebte auch in getrennten Wohnungen, nahm aber im Laufe der Zeit insgesamt über 40 Kinder in die „Familie“ auf, von denen sieben auch adoptiert wurden.

 

 

 

 

 

 

John Harvey Kellogg mit seiner Frau Ella Eaton

Kellogg begann jeden Tag mit einem Einlauf, eine Gewohnheit, die von einigen Psychologen als Klismaphilie (sexueller Lustgewinn durch Einläufe) eingestuft wird. Er wäre demnach ein Mensch, der seine gesamte Sexualität auf das Empfangen und Verabreichen von Einläufen richtete.

Wenn bei den Patienten in seinem Sanatorium all die vermeintlich heilsamen Maßnahmen von J-H. Kellogg wie vegetarische Diät, ergänzt durch Cornflakes und tägliche Einläufe zur Darmreinigung nicht zum gewünschten Heilerfolg führten, machte Kellogg oftmals heimliche Masturbation des betreffenden Patienten dafür verantwortlich.

Ganz entschieden lehnte er nämlich auch die Masturbation ab, die er

für diverse Krankheiten verantwortlich machte und an der Kinder systematisch gehindert werden müssten.

 

Hochphase und Niedergang

Zu den Anwendungen im Sanatorium gehörten auch Bäder in kaltem Wasser mit Radium-Zusatz sowie der Einsatz eines „Vibrationsstuhls“, den Kellogg erfunden hatte. 1891 präsentierte er sein Electric Light Bath – die weltweit erste Infrarotwärmekabine.

Die Erfolgsquote der Kuren in Battle Creek war nach seinen Angaben sehr hoch; Kritikern zufolge wurden Schwerkranke jedoch gar nicht erst aufgenommen. Die meisten Patienten litten unter Übergewicht und Verstopfung.

Das Sanatorium wurde aber auch von einigen prominenten Patienten aufgesucht, darunter von Henry Ford, der Schauspielerin Sarah Bernhardt, Thomas Alva Edison, Scott

Fitzgerald, George Bernard Shaw oder John D. Rockefeller. Um 1920 kamen jährlich etwa 1200 Patienten.

1902 zerstörte ein Großbrand Kelloggs Sanatorium. Er baute es noch größer wieder auf. Erst die Weltwirtschaftskrise 1929 bricht dem exzentrischen Diät-Guru das Genick. Zu diesem Zeitpunkt hatte er drei Millionen Dollar Schulden.

John Harvey Kellogg, der am Ende seines Lebens zu obskuren Rassentheorien neigte, starb am 14. Dezember 1943 in Battle Creek im Alter von 91 Jahren.

 

Buch und Film

Der 1993 erschienene Roman The Road to Wellville von T. C. Boyle ist eine fiktionale satirische Geschichte über Kellogg und sein Sanatorium. Das Buch wurde unter der Regie von Alan Parker unter dem Titel „Willkommen in Wellville“ verfilmt und kam 1994 in die Kinos. In der Hauptrolle ist Anthony Hopkins als John Harvey Kellogg zu sehen.

 

Quellen: wikipedia, Spiegel Geschichte,  www.kelloggs.de, WDR

 

 

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