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Cato Bontjes van Beek 

wird am 14. November 1920 geboren. Als Tochter eines Keramikers mit niederländischen Wurzeln und einer Tänzerin wächst sie im idyllischen Worpswede/Fischerhude in der Nähe von Bremen in einem liberalen Künstlerhaushalt auf.

Kindheit in Worpswede

Frei und ungestüm

Cato ist ein wildes, mutiges Mädchen. Dodo, wie Cato in der Familie heißt, lebt von Kindheit an intensiv. Wie in einem Zeitraffer – als hätte sie nicht genug Zeit für alles, was sie sich vorgenommen hat. Ihr Bruder Tim erinnert sich an ihr ausgeprägtes Gerechtigkeitsgefühl. Sie sei immer für ihn eingesprungen und hätte sich sogar zu seiner Verteidigung mit anderen Jungs geprügelt. »Sie war unglaublich zäh, und sie hatte Muskeln«, erinnert er sich. Cato bewegt ihre Geschwister Tim und Mietje sowie die Nachbarskinder zum Schwimmen, zu Sportwettkämpfen, Wanderungen oder Theateraufführungen. Cato ist  lebenshungrig.

Zwei Schuljahre verbringt die Elfjährige bei ihrer Tante und ihrem Onkel in Amsterdam. Aus dem beschaulichen Fischerhude in so eine Großstadt – das ist für das Kind eine große Sache.

Wieder zu Hause in Fischerhude sind die Nazis an der Macht. Aufmärsche und Fackelzüge, Fahnen und Uniformen, Hitlerjugend und Bund Deutscher Mädchen. Da wird Cato zwar nicht Mitglied, tritt aber später dem Nationalsozialistischen Fliegerkorps bei, um fliegen zu können, denn Fliegen gehört zu ihren Leidenschaften, seit sie 1937 bei einem halbjährigen Au-pair-Aufenthalt in England zum ersten Mal in einem Doppeldecker sitzen durfte.

Arbeit, Liebe, Widerstand

1933 trennt sich Catos Vater von ihrer Mutter. Er zieht nach Berlin, wo er die Architektin Rahel Weisbach heiratet und eine erfolgreiche Keramikwerkstatt aufbaut. Catos Mutter Olga bleibt in der Bredenau. Catos Eltern halten den Kontakt, tauschen sich über die Kinder aus, die von nun an zwei Elternhäuser haben.

Als Cato im Herbst 1937 aus England zurück nach Deutschland kommt, wohnt sie in Berlin. Sie soll nun eine Ausbildung machen, schwankt aber selbst zwischen Fliegerin, Schauspielerin, Keramikerin und Globetrotterin. Ihre hochfliegenden Pläne lassen sich nicht gleich verwirklichen. Zuerst sollt sie eine kaufmännische Ausbildung machen und dann sehe man weiter.

1940 bis 1942 lebt Cato mit ihrer Schwester Mietje in Berlin bei ihrem Vater in einer Wohnung am Kaiserdamm 22. Mit der zweiten Frau ihres Vaters verstehen sie sich gut. Mietje besucht eine Schule für Graphik und Buchdruck und Cato ist bei ihrem Vater in der Werkstatt. Trotzdem kommt sie nicht um den Reichsarbeitsdienst (RAD) herum. Wegen einer Entzündung am Bein kann sie aber vorzeitig nach Berlin zurückkehren.

Im Herbst 1941 lernt Cato durch ihren Vater Libertas Schulze-Boysen kennen, die gut aussehende Frau eines Offiziers im Luftfahrtministerium. Sie führte Cato in den Freundeskreis um ihren Mann Harro ein. Der bildet mit Arvid Harnack, Ökonom und Oberregierungsrat, das Zentrum einer aktiven Widerstandsgruppe.

Cato, von Libertas zur Mitarbeit aufgefordert, ist Feuer und Flamme. Sie hilft mit, ein sechsseitiges Flugblatt zu entwerfen, das zum Umsturz aufruft. Dieses Traktat wird an hunderte von Leuten verschickt. Es fällt der Gestapo in die Hände, was für viele Menschen das Todesurteil bedeuten wird.

Doch im Frühjahr 1942 ahnt das noch niemand. Schon gar nicht Cato. Sie ist zu diesem Zeitpunkt glücklich verliebt. Ihr neuer Freund heißt Heinz Strelow; er hat sich schon seit 1933 gegen den Nationalsozialismus engagiert. Durch Cato kommt auch er in die Gruppe, die später vom NS-Regime zur »Roten Kapelle« gezählt wird. Heinz hält deren Aktivitäten für waghalsig und hochgefährlich. Bald danach verlassen er und Cato die Gruppe, auch weil ihnen der aggressive Führungsstil von Harro Schulze-Boysen nicht passt. Da wissen sie noch nicht, dass die Gestapo sie bereits im Visier hat.

links: Cato, in der Keramikwerkstatt

Verhaftet, hingerichtet, verscharrt

Am 20. September 1942, morgens um acht Uhr, klingelt die Gestapo an der Haustür von Jan Bontjes van Beek am Kaiserdamm 22. Cato und ihr Vater werden verhaftet und getrennt abgeführt. Mit ihnen fast alle anderen um Schulze-Boysen und Harnack. Im Polizeigefängnis am Alexanderplatz ist Cato in Untersuchungshaft. Ihr Vater hat Glück und wird nach drei Monaten wieder entlassen. Ihre Schwester Mietje wird nicht festgenommen. Für die Familie gilt nun, Cato aus dem Gefängnis herauszubekommen. Niemand, selbst Cato nicht, rechnet zu Anfang mit mehr als ein paar Jahren Zuchthaus.

Olga Bontjes van Beek hält sich nun häufig in Berlin auf. Sie will Cato so nahe wie möglich sein. Sooft sie darf, besucht sie ihre Tochter, bringt ihr frische Wäsche und Nahrungsmittel. Im Dezember 1942 bereits wird der Prozess gegen das Ehepaar Schulze-Boysen, das Ehepaar Harnack, gegen Hans Coppi und sieben andere geführt. Bis auf Mildred Harnack und Erika von Brockdorff wird gegen alle Angeklagten die Todesstrafe verhängt und sofort vollzogen. Die beiden Frauen erhalten zunächst Zuchthausstrafen. Im Januar 1943 werden aber auch sie zum Tode verurteilt.

Cato erfährt von diesen Urteilen. Und hofft weiter. Ab 15. Januar 1943 dann soll das Reichskriegsgericht über neun Angeklagte, unter ihnen Heinz Strelow und Cato Bontjes van Beek, verhandeln. In der sogenannten Verhandlung – die Urteile stehen längst fest – lässt sich der Ankläger über die unmoralische und dekadente Lebensweise von Cato und Heinz aus, der noch in Hamburg verheiratet ist.

Am 18. Januar wird Cato wegen Beihilfe zur Vorbereitung des Hochverrats und zur Feindbegünstigung zum Tode verurteilt. Cato erwartet eine schnelle Vollstreckung, schreibt unermüdlich Briefe. Catos Familie, Verwandte und Freunde schreiben Gnadengesuche, versuchen mit allen Mitteln, die Vollstreckung des Urteils hinauszuzögern. Zeit gewinnen. Cato ihrerseits schreibt ein Gnadengesuch für ihren Freund Heinz Strelow. Umsonst. Am 13. Mai 1943 wird Heinz Strelow durch das Fallbeil hingerichtet.

 

Gedenkstein – die Asche wurde nach der Hinrichtung anonym verscharrt

5. August 1943

Am Nachmittag vor der Hinrichtung schreibt die 22jährige in einem Abschiedsbrief an ihre  Mutter: „Mein Herz ist so übervoll, um Dir zu danken, und die Liebe zu Euch allen werde ich dalassen. […] Schade, daß ich nichts auf der Welt lasse als nur die Erinnerung an mich.“

Am Abend des 5. August 1943 erfolgen die Hinrichtungen im Dreiminutentakt. Cato Bontjes van Beek kommt als Vorletzte dran. Mit ihr sterben an diesem Tag 13 junge Frauen und drei Männer. Hilde Coppi ist eine der Frauen. Ihr Sohn Hans war acht Monate, als sich seine Mutter unter das Fallbeil legen musste. Liane Berkowitz wurde erst wenige Tage zuvor Mutter eines Mädchens. Auch für sie gab es keine Gnade.

 

Stolperstein am Kaiserdamm 22 in Berlin

Rehabilitation erst Jahrzehnte später

Cato Bontjes van Beeks Leichnam wurde unmittelbar nach der Hinrichtung zum Anatomischen Institut in Berlin gebracht und dort von Hermann Stieve, dem Direktor des Instituts, seziert. In Absprache mit den Behörden ließ Stieve regelmäßig die Leichen von Hinrichtungsopfern, bevorzugt von jungen Frauen, in sein Institut transportieren, um sie dort für seine wissenschaftliche Forschung zu „verwerten“. Laut Stieve vergingen zwischen dem Tod und der Anfertigung der Gewebeschnitte nie mehr als drei Stunden. Die Leichen wurden anschließend eingeäschert und anonym bestattet.

Im Jahr 2016 wurden ca. 300 Gewebepräparate aus Stieves Nachlass gefunden, die größtenteils von in Plötzensee hingerichteten jungen Frauen stammten. Im Rahmen einer Gedenkstunde wurden die Gewebeproben am 13. Mai 2019 auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beigesetzt.

Catos Mutter Olga Bontjes van Beek hat sich bis zu ihrem Tod mit 98 Jahren dafür eingesetzt, dass ihre Tochter juristisch rehabilitiert wurde. Sie hat sogar gegen das Land Niedersachsen prozessiert.

 

 

Quellen:  Wikipedia, fembio

 

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